Pipes & Drums im frühen Internet
86. Pipegeflüster der Dudelsackschule | Pipes & Drums im frühen Internet
Pipes & Drums im frühen Internet
Auf der Suche nach Orientierung im frühen Pipes & Drums-Web: Bob Dunsire und sein Bagpipe Web Directory.
Jens Crueger forscht als Historiker zur Geschichte der Digitalisierung und des Internets. Er lehrt zur Archivierung des World Wide Web an der Universität Hamburg und der Fachhochschule Potsdam.
Pipes & Drums im frühen World Wide Web
Als Oberstufenschüler in Bremen fand ich 2001 und den Weg zur Band Crest of Gordon – City of Bremen Pipes and Drums. Vorangegangen war eine Suche im World Wide Web, die mich schließlich zur Website der Band führte. Es folgte die Kontaktaufnahme via Mail, und rasch war die wöchentliche Bandprobe ein fester Termin in meinem Kalender. Das World Wide Web spielte also auf meinem ganz persönlichen Weg zum Scottish Drumming eine wichtige Rolle. Doch auch in der Makroperspektive tat sich viel damals in dem Teil des Web, der sich dem Piping widmete. Um die Jahrtausendwende waren immer mehr Bands mit eigenen Webpräsenzen sichtbar, und auch digitale Portale für das Piping und Drumming etablierten sich.
Dabei war das Web damals noch relativ jung, erst seit Mitte der 1990er Jahre etablierte es sich allmählich als sozialer Treffpunkt. Während 2023 stolze 94% der Menschen in Deutschland regelmäßig das World Wide Web nutzten, so waren es 2001 erst 37%. Das Web war damals tatsächlich noch Neuland. Und es war deutlich kleiner als heute, die Zahl der *.de-Domains lag 2001 bei knapp über 5 Millionen, 2024 waren es über 17,5 Millionen Domains. Außerdem fehlten leistungsstarke Suchmaschinen, wie wir sie heute kennen („etwas googeln“).
Die Orientierung im Web der damaligen Zeit passierte daher in hohem Maße über Empfehlungen. Diese Empfehlungen hatten unterschiedliche technische Formen. Die geläufigste Form war die Linkliste. Auf Websites gehörte es zum guten Ton, an exponierter Stelle auf thematisch verwandte Websites zu verlinken. In kaum einem Navigationsmenü damaliger Websites fehlte daher der Reiter „Links“. So war es auch bei der Website von Crest of Gordon aus der damaligen Zeit. Neben dem Clan der Gordons, der BAG, und einer guten Handvoll Bands wiesen die Bremer auf besonders wertvolle Webressourcen hin, unter der verheißungsvollen Überschrift: „Alles über Pipes & Drums“.
Die Linkliste von Crest of Gordon 2001
Eines der dort verlinken Webangebot ist besonders bemerkenswert, denn es erzählt eine besondere Geschichte über die Pipe & Drum-Community im frühen Web. Es handelt sich um das „Bagpipe Web Directory“ von Bob Dunsire. Als Web Directory bezeichnete man eine Website, die eine große Zahl von Links zu thematisch sortierten Webadressen bereithielt. Die Links waren meist redaktionell ausgewählt und thematisch mitunter sehr mühevoll in Kategorien und Unterkategorien gegliedert. In der frühen Phase des Web waren diese Linkverzeichnisse besonders hilfreich, um sich zu einem Oberthema im Web orientieren zu können. Denn bevor einige Jahre später die Suchmaschinen ihren Siegeszug antraten, boten Linkverzeichnisse einen schnellen und oftmals qualitativ sehr verlässlichen Überblick über die Vielzahl an Websites.
Das Bagpipe Web Directory entstand, so beschrieb es Bob Dunsire einmal in einem Interview, aus der Intention heraus, den an Dudelsackthemen interessierten Usern relevante und stets aktuelle Links anzubieten – auf „saubere und effiziente Weise“, wie er es nannte. Die Veränderungsgeschwindigkeit des Web brachte es nämlich mit sich, dass viele Links auf den Bandwebsites und anderen P&D-Webangeboten veraltet waren und oft ins Nichts oder auf abwegige Pfade führten.
Die Besucherzahlen des Bagpipe Web Directory zeigen, dass dieses Angebot von der P&D-Community geschätzt wurde. Gestartet im August 1998, zählte das Web Directory im ersten Jahr 134.000 Besucher. Nach zwei Jahren waren es insgesamt bereits 550.000 Besucher, und im April 2001 war dann die Millionenmarke geknackt. Das Web Directory war in der Phase des frühen Web eine der zentralen Webadressen für die Pipe and Drum-Community. Und es hatte eine wichtige Funktion, denn die Community besiedelte das Web damals sehr schnell und fleißig mit immer neuen Piping-Websites, die dann im Web Directory gelistet wurden. Im August 2000 waren dort 1.700 „piping links“ verzeichnet, im November 2001 waren es bereits 2.700. Im Jahr 2004 umfasste das Webverzeichnis über 3.800 Links, darunter über 1.000 Links zu Bandwebsites.
Die Startseite des Bagpipe Web Directory in 2001
Aufgrund des großen Erfolgs zog das Bagpipe Web Directory Ende 2001 dann auf die Webdomain bobdunsire.com um. Außerdem öffneten zusätzlich zum Linkverzeichnis nunmehr Diskussionsforen zu Themen rund um das Piping und Drumming. Dass die Domain den Namen ihres Besitzers trug, und keinen Dudelsackbezug hatte, wurde mit dem Wunsch nach einer neutralen Webadresse angesichts erregter Gemüter in der Nutzerschaft erklärt. Für Bob Dunsires Bekanntheit wird dieser Umstand keinesfalls abträglich gewesen sein, in der Presse wurde er 2005 als einer der bekanntesten Piper der Welt bezeichnet. Bekannt nicht wegen seiner musikalischen Leistungen, sondern wegen seiner Verdienste um die Webcommunity. Die Foren waren ein derartiger Erfolg, dass sie bald nach glaubhafter Auskunft die „(bei weitem) meistbesuchte Piping Website im Internet“ darstellten.
Die Entstehungsgeschichte der Foren als Ergänzung zum Webverzeichnis wäre eine Geschichte für sich, denn ursprünglich hatte die Dudelsack-Gemeinschaft überwiegend im sogenannten Usenet miteinander diskutiert. Da der Umgangston dort aber irgendwann so rau geworden war, suchte die Community nach einem neuen Ort für gepflegten digitalen Austausch. So gründete Bob Dunsire schließlich mit Hilfe eines Freundes die Foren, die „Inhalt und Höflichkeit“ zu ihrem Markenzeichen erkoren. Die Qualität der Diskussionen stellte eine Moderatorengruppe sicher, die aus nahmhaften Pipern bestand.
Die Forenseite auf bobdunsire.com in 2001
Bob Dunsire (1953-2006) zählt zu jenen Größen der P&D-Geschichte, an die viel zu selten erinnert wird. Die Anerkennung und Dankbarkeit, die ihm unmittelbar nach seinem frühen Tode zu Teil wurden, lassen seine Bedeutung für die damalige Community erahnen. Er gehört aus Perspektive der Webgeschichte zu jenen Pionieren des frühen Web, die mit viel Elan, Visionskraft und Ausdauer neuartige digitale Angebote und wertvolle virtuelle Orte für ihre Mitmenschen schufen. Sein Antrieb war wie bei vielen dieser Pioniere eine Mischung aus Neugier und Tüftlergeist. Mit seinem beruflichen Hintergrund in der Computer- und Software-Industrie, dem familiären Bezug zum Piping, und jeder Menge Begeisterung für komplexe Herausforderungen brachte er die zentralen Eigenschaften mit. Und, wie Bob Dunsire es auf der Startseite seines Web Directory so prägnant beschrieb: „I am just doing this for fun.“
Jens Crueger forscht als Historiker zur Geschichte der Digitalisierung und des Internets. Er lehrt zur Archivierung des World Wide Web an der Universität Hamburg und der Fachhochschule Potsdam.
Die Startseite des Bagpipe Web Directory in 2004
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